Drei Jahre und 100.000 km im Tesla Model S: Was habe ich gelernt?

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Seit Oktober 2015 fahre ich ein Tesla Model S. Vor wenigen Tagen habe ich in der Nähe des französischen Örtchens Nozay auf einer „autoroute“ die 100.000 km-Marke geknackt. Ich bin also pro Jahr im Mittel rund 33.000 km gefahren.

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In den vergangenen zehn Monaten entstand allerdings ein Löwenanteil der Langstreckenfahrten und ging auf das Konto unseres Dokumentarfilmprojekts — wir versuchen, für unsere Dreharbeiten auf Flüge zu verzichten und unsere Reisen durch Europa elektrisch zurückzulegen. In einem Blogpost auf der Website zum Filmprojekt habe ich das ein wenig erläutert (Englisch).

Was kann ich heute über Tesla und deren Produkte sagen, und was habe ich durch diese Erfahrungen und das weitere Nachdenken über die Zukunft der Mobilität gelernt?

Tesla: Wahnsinnsfirma, großartige Produkte

Zunächst zu Tesla. Ich bin seit langem davon überzeugt, dass die Firma unternehmerisch und strategisch eine absolute Ausnahmeerscheinung ist. Neben den Autos selbst ist die überzeugende und noch größere Geschichte, die diese Autos erst wirklich nutzbar macht, das mit unglaublich anmutender Konsequenz in ganz Europa (und in anderen Teilen der Welt ebenfalls) ausgerollte Schnelladernetz. Wer sich dessen Dichte mal ansehen will, kann das auf dem entsprechenden Routenplaner von Tesla im Netz tun. Die für deutsche Unternehmen komplett undenkbare Konsequenz, mit einem derartigen Investment allein voran zu marschieren und Milliarden auszugeben, um das Versprechen schnellen Ladens für eine über Jahre entstehende Elektroautoflotte weltweit einzulösen, nötigt mir immer wieder respektvolle Sprachlosigkeit ab. Von diesem Vorsprung wird Tesla lange zehren — wenn es gilt, aus Elektroautos eine echte Normalität zu machen. Und das wiederum — dass Elektroautos Normalität werden — betreibt kein anderer westlicher Konzern so hartnäckig wie Tesla. (Nur die Chinesen sind da ähnlich krass, erscheint mir.)

Desweiteren ist die Qualität und die Selbstverständlichkeit, mit der ein 2003 gegründetes Unternehmen heutzutage in Massenfertigung Autos auf die Straße bringt, als unternehmerische Leistung kaum hoch genug zu bewerten. Es gibt sicher Dinge, die deutsche Unternehmen im Bereich der Verarbeitungsqualität hier und da noch besser können. Aber wenn man sich absolut ansieht, was die Autos aus Kalifornien nach dieser extrem kurzen Zeit leisten, und was für ein automobiles Erlebnis sie ihren Nutzern verschaffen, dann ist das schlicht sensationell. Und sie lernen dort schneller als fast irgendwo sonst in der Industrie.

All das erscheint mir besonders wichtig im Hinblick auf den Hype um Elon Musk, den dieser ja selbst aus Kräften befeuert. Der Hype ist aus meiner Sicht nicht der Grund, warum Leute Teslas kaufen oder Tesla-Fans werden. Der Hype sorgt dafür, dass Menschen sich für Tesla interessieren, neugierig werden. Die eigentliche Überzeugungsarbeit leisten dann aber die Autos und die Menschen, die diese Autos fahren, mit ihrer Mundpropaganda im Freundeskreis — oder bei völlig Fremden, mit denen man auf der Straße zum Auto ins Gespräch kommt. Das wird oft von denen verkannt, die meinen, alles sei nur (Elon-Musk-)Hype.

Das Fernreisen mit einem Tesla verändert die Einstellung zum Autofahren. Die Kombination aus vier Aspekten — dem seidenweich laufenden und heftig antretenden Elektro-Antrieb, zweitens dem Autopiloten (bei mir noch der in erster Generation), der einem auf den Autobahnfahrten 80% des Steuerns abnimmt, drittens der durch die Batteriekapazität vorgegebenen Dauerreisegeschwindigkeit von 120-130 km/h, sowie viertens der Notwendigkeit, rund alle zwei Stunden für 20-50 Minuten an einem Supercharger zu halten, um wieder Strom nachzuladen, lässt eine andere Art des Reisens entstehen. Deutlich entspannter und menschlicher kommt man durch die Lande als mit dem Gerase, das grade auf deutschen Autobahnen immernoch von vielen Menschen mit Autos dieser Preisklasse aus deutscher Fertigung vorexerziert wird. Als Tesla-Fahrer sieht man den Wahnsinnigen mit ihren 220 km/h auf der linken Spur der Autobahn bei ihrem Tun fast belustigt zu und fragt sich, was sie damit eigentlich erreichen wollen — außer sich selbst und ihre Umwelt massiv zu stressen. Und man selbst kommt auch nach 15-stündigen Autofahrten erstaunlich entspannt an seinem Reiseziel an, weil die Fahrt eben in menschlicher und dabei höchst bequemer Weise abgelaufen ist. Und außerhalb von Deutschland ist es bei Tempolimits von 120 oder 130 km/h ja eh so, dass man im Tesla ganz genauso schnell unterwegs ist wie alle anderen auch.

Was gibt es zu kritisieren? Mir fallen zwei Dinge ein: Zum einen sind die Service-Zentren aufgrund der stetig steigenden Zulassungszahlen — schon jetzt, bevor das Model 3 in Europa angekommen ist — offenbar oft überlastet. Das macht nicht so viel Spaß, besonders dann nicht, wenn man — wie ich in den Anfangsmonaten 2015 und 2016 — zunächst noch extrem zuvorkommende und schnelle Behandlung erlebt hat. Aber man kann es kaum jemandem vorwerfen — ein Unternehmen, das zu viel Erfolg für seine eigenen Service-Leute hat … wessen Schuld ist das? Wichtig auch: es ist keinesfalls so, dass das Auto technisch irgendwie nennenswert Ärger machen würde — im Gegenteil, es hat die 100.000 souverän genommen. Nur manchmal ist halt Kleinkram (der Sitz knackt oder der Geradeauslauf muss nachjustiert werden), oder es gibt eine Frage, für die es schön wäre, mal jemanden ans Telefon zu bekommen. Außerdem kann grundsätzlich an E-Autos viel weniger kaputt gehen als an traditionellen Verbrennern, was natürlich auch den Teslas zugute kommt.

Zweitens sind die Orte, an denen die Supercharger stehen, gerade in Deutschland oft eher erbärmlich. Einerseits freut man sich, weil man weiß, dass eine Pause ansteht — zum Beine-Vertreten und Kaffee-Trinken und Toilettenbesuch. Andererseits sind die Rasthöfe und die anderen Adressen, an denen die Supercharger gerade in Deutschland eingerichtet sind, oft etwas traurige Orte, an denen man ungern seine Ladezeit verbringt. Aber zu diesen Orten immer wieder zurückzukehren, ist halt auch Teil der Tesla-Erfahrung. Allein deshalb kann man immer wieder sehen, dass sich viele Tesla-FahrerInnen angewöhnt haben, die Ladezeit schlicht im Auto zu verbringen, weil das oft der mit Abstand angenehmste Ort ist. Andererseits gibt es außerhalb Deutschlands hin und wieder großartige Plätze, an denen Supercharger eingerichtet wurden, wie beispielsweise denjenigen am Yachthaften von Varazze in Ligurien. Dort bleibt man gern länger, als das Laden des Autos erfordert.

Unsere mobile Zukunft: vernetzt und intelligent.

Was denke ich heute über die automobile Zukunft und über Tesla? Ich bin nun, drei Jahre nach Anschaffung des Autos, ein ganzes Stück weiter gekommen. Ich denke nicht mehr, dass die Antwort auf unsere Mobilitätsfragen an die Zukunft darin besteht, dass jede/r AutofahrerIn einen Tesla (oder Ähnliches) besitzen oder fahren sollte. Ganz im Gegenteil. Es hat überhaupt keinen Sinn, dass wir die heute knapp 50 Millionen Autos in Deutschland (!) komplett austauschen und künftig mit 50 Millionen E-Autos weiterfahren. Das wäre absurd.

Wir brauchen eine echte Verkehrswende, die innerstädtisch darin besteht, dass wir kluge vernetzte Systeme aus einem sensationell gut funktionierenden ÖPNV, massivem Ausbau der Fahrradverkehrsinfrastruktur und zusätzlich motorisierten E-Zweirädern schaffen. Insgesamt müssen die Autos raus aus unseren Städten, so wie uns das die Spanier oder Franzosen vormachen.

Ich selbst bin in Berlin, wo ich wohne, zu 80% mit dem Fahrrad, zu 15% mit dem ÖPNV, und zu 5% mit dem E-Auto unterwegs — letzteres eigentlich nur dann, wenn es Dinge oder Menschen zu transportieren gilt, oder wenn viele weite Strecken in sehr kurzer Zeit zu bewältigen sind. Allerdings ist dafür in der Stadt das recht ausladende Model S nicht unbedingt die beste Lösung — da würde ich mir manchmal eher einen BMW i3 wünschen.

Aber auch auf der Mittel- und Langstrecke muss mehr öffentlich passieren. Ich höre immer mehr kluge Stimmen, die fordern, dass ein europaweites Projekt her muss, das echte Schnellbahnverbindungen quer durch Europa baut, um endlich dem elenden CO2-treibenden Flugverkehr zwischen europäischen Großstädten das Wasser abzugraben. Und zwar zu Fahrkartenpreisen, die sich die Leute leisten wollen und können. Anstatt dass immer weiter der nächste absurde Provinzflughafen gefördert und Flug-Tickets weiter von uns Steuerzahlern mitfinanziert werden.

Welche Rolle hat also Tesla bei all dem? Aus meiner heutigen Sicht sind Autos wie mein Model S — und auch das meiste andere, was mit der E-Autowelle in den kommenden Jahren so auf uns zukommt — eigentlich vor allem dann sinnvoll, wenn es gilt, komplizierte Fahrten mit sehr unterschiedlichen Zielen plus viel Gepäck quer durch Europa zu absolvieren. Wie also beispielsweise unsere Dreharbeiten, mit allem möglichen Kamera-Equipment. Aktuell sind wir für Interview- und Drehtermine in London, Edinburgh und Glasgow unterwegs — das alles mit Zugfahrten zu organisieren, wäre in der Zeit, die uns dafür zur Verfügung steht, schlicht undenkbar (ganz abgesehen davon, dass im Vereinigten Königreich noch viele Züge mit Diesel fahren …).

Es hat aber eigentlich nicht ganz so viel Sinn, dass ich selbst so ein Auto besitze — dafür nutze ich es zu wenig. Am besten wäre eigentlich immer dann, wenn ich eine derartige Reise absolvieren will (oder auch mal einen privaten Urlaubs-Roadtrip durch Frankreich, wie vor einer Woche), Zugriff auf ein derartiges Auto organisieren zu können und nur dafür bezahlen zu müssen. Mit anderen Worten: Mein Auto ist aus meiner Sicht, und im Hinblick auf eine bessere Mobilität von morgen, kein Fahrzeug für alle Tage, sondern für die Spezialfälle, bei denen andere Fahrzeug- oder Mobilitätstypen scheitern.

Mein Fazit.

Für mich ist der Umgang mit dem Auto ein persönliches Experiment mit elektrischer Mobilität und Teil eines Versuchs herauszufinden, wie künftig Mobilität funktionieren kann und muss. Das Tesla Model S ist (mitsamt seiner Ladeinfrastruktur) ein großartiges Fahrzeug. Aber ich fänd gut, wenn unsere Städte und unsere Länder sich in ganz Europa in der Weise weiterentwickeln würden, dass nur sehr wenige Leute ein derartiges Auto besitzen müssten. Und wenn wir den Verkehr ein ganzes Stück von der Straße wegbewegen könnten. Anstatt dass man es als eigenen Besitz vorhält, wäre es besser, wenn man es sich dann problemlos organisieren könnte, wenn man es mal wirklich braucht. Und ansonsten entspannt auf ein eigenes Auto verzichten kann. Das wäre ökologisch sinnvoller, besser für unsere Städte und gerechter.

Solange das aber nicht komplett gegeben ist, ist es für mich die zweitbeste Lösung, mit diesem Auto die Fahrten elektrisch zu absolvieren, die anders nicht gehen. Ich freue mich auf die nächsten 100.000.

3 Kommentare

  1. Das mit den traurigen Orten an den Superchargern hätte man lösen können, indem man Starbucks auf Autobahnraststätten zugelassen hätte. Aber da war ja das Monopol Tank&Rast dagegen… 🤬

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