Künstliche Intelligenz
Auch wenn Künstliche Intelligenz („KI“) nicht der zentrale Fokus meines Lesens und Schreibens ist, erscheint mir das Thema doch so wichtig, dass ich damit wenigstens auf dem Laufenden zu bleiben versuche. Während wir bei D64 vor einigen Wochen das Thema auf einem sehr pragmatischen gegenwärtigen Niveau diskutiert haben, geht in den USA die Debatte über Weltuntergangsszenarien im Zusammenhang mit KI mit viel Verve weiter. Im Zentrum scheint weiterhin Elon Musk zu stehen, der Aufhänger und Leitfigur eines Ende März erschienenen langen Vanity Fair-Artikels zum Thema ist. Zu Wort kommen dort so gut wie alle Exponenten der Silicon-Valley-Bewegung in diesem Gebiet. Eliezer Yudkowsky erklärt das Risiko wie folgt:
Wenn Sie eine Vorstellung von falsch gelaufener künstlicher Intelligenz wollen, dann stellen Sie sich keine marschierenden humanoiden Roboter mit glühenden roten Augen vor. Stellen Sie sich winzige unsichtbare synthetische Bakterien aus Diamanten vor, mit winzigen eingebauten Computern, versteckt in Ihrem Blutkreislauf und in dem eines jeden anderen Menschen. Und dann, zeitgleich, geben sie ein Mikrogramm Botulingift von sich. Alle brechen schlicht tot zusammen.
Elon Musk und Sam Altman sehen das Problem aber an einer anderen Stelle: an einem ins Internet „entkommenden“ intelligenten Algorithmus – Musk sagt:
Die Sache bei KI ist, dass es kein Roboter ist; es ist der Computer-Algorithmus im Netz. Der Roboter wäre nur der Ausführende am Ende, nur eine Serie von Sensoren und Stellmotoren. KI ist im Netz … Die wichtige Sache ist, falls wir einen ausreißenden Algorithmus bekommen, kann das menschliche KI-Kollektiv den ausreißenden Algorithmus stoppen. Aber wenn es eine große dezentrale KI wird, die entscheidet, dann gibt es keinen Weg, sie zu stoppen.
Anstatt allerdings weiter Artikel über KI zu lesen, kann man sich natürlich auch zu KI fortbilden. Coursera bietet eine Menge interessanter Kurse an (ich folge grade dem zur Finanzkrise von der Yale University, bei der der ehemalige Finanzminister Timothy Geitner einer der beiden Lehrer ist), und es gibt auch Lehrangebote zu Künstlicher Intelligenz. Eine 78-teilige Reihe von Coursera zu neuralen Netzen hat es zu YouTube geschafft, ich habe mir mittlerweile die ersten drei davon angesehen und kann das denjenigen empfehlen, die an einer konkreten Stelle anfangen wollen, ein wenig mehr hinter die Kulissen der KI zu schauen. Allerdings heißt es im Text bei Open Culture, dass man mit Differenzialrechnung und Python vertraut sein sollte, was bei mir beides nicht der Fall ist … spätestens in Lektion 1c, der dritten, ging es dann schon mit der Mathematik los. Immerhin habe ich mehr oder minder begriffen, wie mathematische Formeln die Rolle von Neuronen im Gehirn übernehmen können — was ja schon mal ein Gewinn ist.
Wirtschaft & Politik
Mein Nachdenken hier über unsere Politik- und Wirtschaftssystem – oder ich sollte besser sagen: unser wirtschaftliches Politiksystem – ist ja nicht tagesaktuell, daher können auch mal ältere Texte verlinkt werden. Wie beispielsweise dieses Interview aus dem Jahr 2014, mit dem Philosohophen Byung-Chul Han. Aus seinen Betrachtungen über „das Schöne“ leitet er Gedanken zur Politik ab, die ich extrem nachvollziehbar finde:
Es gibt einen interessanten Zusammenhang zwischen glatter Haut, glatter Kunst und glatter Politik. Die politische Handlung im emphatischen Sinne braucht aber eine Vision und einen hohen Einsatz. Sie muss auch verletzen können. Das tut aber die glatte Politik von heute nicht. Nicht nur Angela Merkel, sondern die Politiker von heute sind nicht fähig dazu. Sie sind nur noch gefällige Handlanger des Systems. Sie reparieren da, wo das System ausfällt, und zwar im schönen Schein der Alternativlosigkeit. Die Politik muss aber eine Alternative anbieten. Sonst unterscheidet sie sich nicht von der Diktatur. Heute leben wir in einer Diktatur des Neoliberalismus. Im Neoliberalismus ist jeder von uns Unternehmer seiner selbst. Kapitalismus zu Zeiten von Marx hatte eine ganz andere Arbeitsstruktur. Die Wirtschaft bestand aus Fabrikbesitzern und Fabrikarbeitern, und kein Fabrikarbeiter war der Unternehmer seiner selbst. Es fand eine Fremdausbeutung statt. Heute findet eine Selbstausbeutung statt – ich beute mich aus in der Illusion, dass ich mich verwirkliche.
Genau das ist mein Problem mit Angela Merkel. Und deswegen sollte sie nicht länger die Regierungsverantwortung übernehmen. Martin Schulz wäre wohl nur marginal besser, aber ein Anfang.
Großartig an dem Interview sind auch noch weitere Beobachtungen Hans dazu, wie wir uns im derzeitigen System als frei wahrnehmen, es aber in Wirklichkeit nicht sind. Ich kann die Lektüre nur wärmstens empfehlen.
Auch empfehlenswert ist ein langer Text bei Aeon über das Verhältnis zwischen Sklaverei und Kapitalismus. Der Sklavenhandel war der Stimulus für die Erfindung der Laissez-Faire-Ideologie: als der französische Staat in einer Krise das staatliche Monopol des Sklavenhandels auflöste und an freie Unternehmer gab, explodierte dieser und funktionierte deutlich besser. Französische Wirtschaftsdenker nutzen diese Beobachtungen für ihre Forderungen danach, der Staat solle sich aus der Wirtschaft heraushalten. Die Ökonomen verwendeten also die Sklaverei, um für Freiheit der Wirtschaft zu argumentieren — fürwahr eine schreckliche Ironie der Geschichte. Sklavenhandel und die Erfindung des modernen Kapitalismus hängen also auf intensive Weise zusammen:
Sklavenarbeit hat die Baumwolle, den Zucker und andere kritische Güter bereitgestellt. Die Gewinne aus dem Sklavenhandel schafften Reichtümer auf beiden Seiten des Atlantiks. Und, in einem beklemmenden Paradox, sahen die Gründerväter des Laissez-Faire im Sklavenhandel ein Vorbild für die Freiheit.
Comic: Economix
Im selben Zusammenhang würde ich gerne einen großartigen Comic erwähnen — das Buch „Economix“ ist eine dichte intensive Abhandlung der Geschichte des Kapitalismus, und eine Art perfekter Begleiter zur Arte-Serie über den Kapitalismus, die ich hier ja schon zusammengefasst habe. Die oben angeführte Geschichte zum Sklavenhandel findet sich ebenfalls darin. Und selbst Karl Marx macht großen Spaß:
Das Comic habe ich vorgestern in einer Buchhandlung in Brüssel entdeckt (wo sonst) und dort in der französischen Fassung gekauft – das im Original amerikanische Buch ist aber auch auf deutsch (oben verlinkt) erhältlich. Ich habe mittlerweile ein Drittel gelesen und bin mehr als angetan. Zu Economix werde ich hier sicher auch noch eine Zusammenfassung schreiben.