Zadie Smith mit einer Begründung dafür, warum wir heute überall unsere Meinung hören lassen müssen.

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Am 10. November 2016 hat die Romanautorin Zadie Smith in Deutschland den Welt-Literaturpreis entgegen genommen. Beim New York Review of Books kann man ihre Rede zu diesem Anlass nachlesen. Sie schließt mit folgenden Worten (meine Übersetzung):

Wenn man als Romanautor eine Sache weiß, dann die, dass einzelne Bürger innerlich vielfältig sind: sie tragen in sich eine breite Spanne von Verhaltensmöglichkeiten. Sie sind wie komplexe Partituren, aus denen manche Melodien herausgekitzelt werden, während andere ignoriert oder unterdrückt werden können — in Abhängigkeit, zumindest zum Teil, davon, wer grade dirigiert. Derzeit haben diejenigen, die weltweit — und seit kurzem auch in Amerika — vor diesem menschlichen Orchester stehen, nur die ärmlichsten und banalsten Melodien im Kopf. Hier in Deutschland wird man sich an diese Kampfmusik noch erinnern; sie ist keine sehr ferne Erinnerung. Jene von uns, die sich an eine feinere Musik erinnern, müssen nun versuchen sie zu spielen, und andere ermutigen, wenn wir denn können, dabei mitzusingen.

Zunächst mal finde ich die Metapher wunderschön. Eine kurze, poetische, tiefsinnige Abhandlung über Gut und Böse im Menschen, und darüber, wie und warum es zum Vorschein kommt.

Wichtiger aber noch ist aus meiner Sicht der Aufruf, der darin steckt: wir dürfen heute nicht verstummen — wir müssen überall die bessere Musik erklingen lassen, damit um uns herum die richtigen Saiten, die richtigen Töne erklingen, und es sich weiter ausbreitet. Das klingt furchtbar künstlerisch intellektuell zerbrechlich — in einer Zeit, in der Geschrei und Gewalt den Diskurs zu überschwemmen drohen. Aber gerade deshalb ist es so wichtig, denn es beeinflusst jeden, der zwischen den Extremen wankt und schwankt, und nicht weiß, welchem Lied er folgen soll.

Wir dürfen uns nicht darauf zurückziehen, dass die bekannten Thesen zu Rechtsstaat, Demokratie und offener Gesellschaft ja nicht mehr betont zu werden brauchen, in der Annahme, man predige ja eh nur zu den schon Bekehrten. Das ist ein Irrtum — alle müssen die richtige Musik immer und immer wieder hören, sich ihrer vergewissern, und verstehen, dass sie sie weitertragen müssen. Damit das Gift zurückgedrängt werden kann.

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