Fake-News und die Rolle Russlands.

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Kürzlich habe ich zwei interessante Artikel zum Thema Fake-News und Russland gelesen, die ich hier kurz vorstellen möchte.

Wer sich für eine wenig diskutierte Seite des Themas Fake-News interessiert, sollte diesen langen Text von Wired lesen — darin wird beschrieben, wie das globale Web-Werbe-Ökosystem Teenager und Twens in Mazedonien dazu motiviert hat, basierend auf Copy-Paste eine Art lokale Fake-News-Industrie aufzubauen. Die genauso schnell wieder abgestorben ist, wie sie entstand, weil Google schlicht den Geldhahn zugedreht hat. Aus meiner Sicht wird an dem Text deutlich, dass die Kombination Internet plus Google-Werbemaschine teils wirklich absurd-bizarre Effekte erzeugt, dass aber andererseits das Thema Fake-News jenseits der USA vielleicht weniger heiß gegessen wird, als es medial zubereitet wurde. Dafür scheint mir folgende Textpassage (die im Originaltext sogar nur in Klammern steht) als interessante Illustration, die ein wenig vermittelt, warum sich die Fake-News-Texte nach Experimenten mit anderen Kandidaten schließlich alle an Trump-Supporter gerichtet haben:

Im Juli hat er eine Woche lang mit Fake-News experimentiert, die Bernie Sanders in den Himmel lobten. „Bernie Sanders-Unterstützer gehören zu den klügsten Leuten, die ich gesehen habe“, sagt er. „Sie glauben gar nichts. Der Text muss auch den Beweis führen, damit sie es glauben.“

Ich will nicht sagen, dass deutsche Nachrichtenleser garantiert immer besser informiert und kritischer sind als amerikanische; grade dann nicht, wenn erstere sich bereitwillig über noch so alberne Verschwörungstheorien hermachen. Aber ich glaube schon, dass unsere durchschnittliche Kritikfähigkeit beim Konsum von Medien ein wenig höher ist als dort. Falls unsere Wahl im September wirklich durch massenhafte Verbreitung von Blödsinn im Internet manipuliert werden sollte, müsste ich mich dann noch eines Besseren belehren lassen. Aber aktuell glaube ich eher nicht daran.

Deutlich vorstellbarer erscheinen mir dagegen gezielte Leaks auf Basis von Daten-Hacks, die echte und schwierige Wahrheiten zu strategisch gewählten Zeitpunkten publik machen. Und in dem Zusammenhang denkt man natürlich sofort an Russland.

Zur Rolle der Russen bei der US-Wahl gab es vor einigen Tagen einen sehr ausführlichen Artikel beim New Yorker. Darin wird die Technik der „Aktiven Maßnahmen“ beschrieben, mittels derer schon die Sowjetunion und die USA im Kalten Krieg versucht haben, Einfluss auf einander zu nehmen. Putin, der, wie man immer wieder lesen kann, ein ausgebildeter Kalter Krieger ist, den der Zerfall der Sowjetunion schwer getroffen hat, bediente sich im Jahr 2016 mit großer Freude dieser Instrumente — nun erhältlich in einer Art digitalen Turbo-Version. Denn er wollte vor allem zwei Leuten eins auszuwischen, die er überhaupt nicht leiden kann: Barack Obama, wegen der Wirtschaftssanktionen gegen Russland, und Hillary Clinton, die er schon wegen der Politik ihres Ehemannes Bill als Gegnerin Russlands sieht. Zupass kam zudem die derzeitige tiefe Spaltung der amerikanischen Gesellschaft, die ein Land anfälliger für Desinformation und Lügen macht. Allerdings erklären die Autoren, dass Putin offenbar gar nicht damit gerechnet habe, dass Trump die Wahl gewinnen würde:

Yevgenia Albats, die Autorin von “The State Within a State”, einem Buch über den KGB, sagte, dass Putin wahrscheinlich nicht geglaubt habe, er könnte den Wahlausgang beeinflussen, aber — wegen seiner Antipathie gegenüber Obama und Clinton — tat er, was er konnte, um Trumps Anliegen zu unterstützen und das Vertrauen Amerikas in das politische System zu untergraben.

Der Artikel erläutert ausführlich, wie sich der Zerfall der Sowjetunion für Putin angefühlt haben muss, wie es aus russischer Sicht gewirkt haben muss, als sich NATO und EU immer näher an die russischen Grenzen herangepirscht haben, und welche Motivation Putin antreibt, seit er an der Macht ist.

Weiter beschreibt der Text, welche häufig US-geführten Maßnahmen des Westens in der Ära Putin diesen immer wieder verärgert haben, bis hin zum aktuellen Krieg in Syrien, der für Putin der Riegel ist, den er den US-amerikanischen Bemühungen um Umsturz und/oder Kontrolle im Nahen Osten vorschieben will.

Anhand eines Beispiels aus Georgien im Konflikt um Südossetien wird zugleich deutlich gemacht, dass Russland mittlerweile extrem weit darin ist, nicht nur digitale Angriffe zu organisieren, sondern diese auch noch mit militärischem Auftreten zu verbinden:

[…] Russische Panzer und Flugzeuge sind in das umstrittene Gebiet zum selben Moment eingedrungen, als Hacker vierundfünfzig Websites von Regierung, Medien und Banken attackiert haben. Sie haben militärische Informationen entwendet und das Internet des Landes demobilisiert. Georgische Offiziere hatten Mühe, Befehle an die Truppen zu senden, und verunsicherte Bürger hatten keine Möglichkeit herauszufinden, was eigentlich los ist.

Das sei eines der ersten Male gewesen, dass Cyber-Attacken mit Militäraktionen verbunden wurden. Daraus folgt dann etwas später die Erläuterung des Konzeptes des „Hybrid War„, und die Idee, dass künftige Kriege nur noch in einem von fünf Fällen überhaupt mit Militär ausgetragen würden, und dass man allein mit nichtmilitärischen Mitteln Staaten komplett ins Chaos stürzen könne — geschrieben unter dem Eindruck der umstürzlerischen Vorgänge in Syrien und Libyen:

[…] ein „absolut florierender Staat kann, innerhalb von Monaten und sogar binnen Tagen, verwandelt werden in eine Gegend scharfen bewaffneten Konflikts, in ein Opfer ausländischer Eingriffe, und versinken in ein Netz aus Chaos, humanitäre Katastrophe und Bürgerkrieg.“

Der Text kehrt dann zum aktuellen Konfikt oder Verhältnis zwischen den USA und Russland zurück, und sieht auf jeden Fall eine deutliche Wirkung der Arbeit von Fake-News-Farmen auf die US-Wahl, und zudem einen klaren russischen Einfluss:

Nach der Wahl ergab eine Studie von zwei Ökonomen, Matthew Gentzkow von Stanford und Hunt Allcott von der New York University, dass in den drei letzten Wahlkampfmonaten gefälschte Pro-Trump-Geschichten vier Mal so oft weitergeleitet wurden wie gefälschte Pro-Clinton-Geschichten. Die Forscher haben ebenso herausgefunden, dass ungefähr die Hälfte der Leser einer Fake-News-Geschichte diese glauben. Eine Studie von Philip N. Howard, einem Spezialisten in Internet-Studien an der Oxford University, ermittelte, dass während der zweiten Debatte der Präsidentenwahl automatisierte Twitter-Accounts, auch bekannt als “Bots”, viermal mehr Pro-Trump Tweets als Pro-Clinton-Tweets erzeugt hätten, was Trumps Botschaften an die Spitze der „Trending Topics“ brachte, die die Prioritäten der Medien beeinflussen. Internet-Forscher und politische Kampagnenarbeiter glauben, dass eine erhebliche Anzahl dieser Bots in Abstimmung mit Einzelpersonen oder Organisationen gearbeitet haben, die vom Kreml unterstützt und bisweilen auch bezahlt werden.

Darauf werden die Leaks der Demokraten-Emails behandelt, deren wochenlange Präsenz in den Medien und den Facebook-Newsfeeds offenbar auch eine Rolle für das Wahlergebnis gespielt hat. Und schließlich diskutiert der Text die Nähe zwischen Trumps Team und Russland, und was das für Amerika und für Russland bedeutet.

Begleitend kann ich dazu auf jeden Fall einen NPR-Podcast dazu empfehlen, in dem zwei der Autoren des Artikels interviewt werden, Evan Osnos und David Remnick. Vor allem Remnick, Editor des New Yorker, hat offenbar in Russland gelebt und scheint fließend russisch zu sprechen — er sieht, so sagt er selbst im Interview, täglich fast schon obsessiv russisches Fernsehen im Netz. Im Interview kommentiert er auf wirklich interessante Weise die russische Sicht der Dinge, und dort wird auch deutlicher gemacht, dass die aktuelle Situation mit einem instabilen Trump an der Spitze der USA nicht wirklich das sei, was sich Russland wünscht.

Eine Sicht auf das Thema, die man so sonst selten findet.

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