Nach vollehalle, nach der Bundestagswahl: so geht es weiter.

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Mein letztes Posting hier auf Kaffee & Kapital liegt mittlerweile deutlich über einen Monat zurück – das ist die längste Schreibpause, die ich seit Beginn dieses Blogs im Dezember letzten Jahres eingelegt habe. In der Zwischenzeit gab es stattdessen ein paar Texte von mir auf vollehalle.de – also auf der Seite, die wir im August begleitend zu unserem Show-Format ins Netz gestellt haben. So habe ich dort beispielsweise beschrieben, was Tim Jackson Angela Merkel zum Thema Wirtschaftwachstum mit auf den Weg geben würde, wie wir vollehalle als Keynote-Projekt entwickelt haben, oder wie die Premiere am vergangenen Freitag aus unserer Sicht gelaufen ist. Leider war es nicht möglich, zur selben Zeit hier weiter Bücher zusammenzufassen oder andere (hoffentlich) sinnvolle Texte zu veröffentlichen. Wir hatten für die Show einfach so viel zu tun, dass keine Energie mehr für anderes übrig blieb.

Außerdem ist vollehalle ja auch ein Ergebnis meines Nachdenkens über Politik und die Welt, in der wir leben. Und so war der dorthin verschobene Fokus völlig konsistent mit den Zielen meiner Arbeit hier. Genauer: ich habe mit vollehalle letztlich den zweiten Teil meines politischen Projektes begonnen. Im Einführungstext zu Kaffee & Kapital hatte ich im Dezember 2016 geschrieben:

Nach dem Blog als virtuellem öffentlichen Ort möchte ich in einem zweiten Schritt an reale öffentliche Orte gehen. Weil ich glaube, dass eine konstruktive politische Diskussion vor allem im echten Austausch mit Menschen grade auch abseits des Internets notwenig ist, will ich im Sommer 2017 versuchen, mit meinen bis dahin gefassten Gedanken und Vorstellungen in Deutschland herumzureisen, um überall dort, wo 20 Leute oder mehr zusammenkommen wollen, in einer gemeinsamen öffentlichen Veranstaltung meine Gedanken zu präsentieren und dann gemeinsam zu diskutieren. In der Hoffnung, dass ich damit einen Beitrag zur Bundestagswahl leisten kann — in welche Richtung auch immer dieser Beitrag dann weist. Und darüber hinaus wieder politische Ideen entstehen, die Lust machen.

vollehalle ist natürlich ein ganz anderes, viel aufregenderes Projekt geworden, als ich mir beim Schreiben der oben stehenden Zeilen hätte vorstellen können. Und das liegt vor allem an Kai Schächtele und dem phantastischen Team, mit dem wir die Sache gemeinsam entwickelt haben. Ich dachte im Dezember, ich würde rumreisen und basierend auf diesen Texten hier politisch motivierte Vorträge halten. Kai war derweil auf der Suche nach einem neuen Weg, seinen Journalismus unter ein interessiertes Publikum zu bringen. Und aus der Kombination wurde etwas viel größeres, nämlich eine Show: „Entertainment für eine andere Welt“.

Die Arbeit mit Kai und den anderen hat aber auch inhaltlich zu einem veränderten Schwerpunkt geführt: der Klimawandel ist ins Zentrum gerückt. Er ist die größte Geschichte unserer Zeit. Und mit Kai arbeite ich mit jemandem zusammen, der den Klimagipfel in Paris aus nächster Nähe verfolgt hat. Auf dem Blog hier stand dagegen bislang eher der Konflikt zwischen einem sich fehlentwickelnden globalen Wirtschafts- und Finanzsystem und einer langsam aber sicher aus den Fugen geratenden Sozialstruktur im Fokus. Aber die Verbindung zwischen Wirtschaftssystem und Klimawandel sind ja ebenso direkt wie die zu unserer Gesellschaft. Und so bekam unser Segment mit Tim Jackson, der seine Kritik an unserer Wirtschaftsordnung sowohl vor dem sozialen wie vor dem ökologischen Hintergrund übt, dann auch eine sehr zentrale Rolle in unserer Show.

Dass die Premiere von vollehalle am 22.9. vor 200 Leuten nur noch wenig Wirkung auf die Bundestagswahl zwei Tage danach haben würde, war uns natürlich klar. (Auch wenn mir zwei Personen nach der Show sagten, dass ihre Wahlentscheidungen durch unsere Show mit beeinflusst worden seien. Immerhin.) Grundsätzlich wurde über den Sommer und dank des Fokus auf den Klimawandel deutlich, dass wir mit vollehalle ohnehin ein Projekt zur Transformation unserer Gesellschaft – um nichts weniger geht es! – anfangen, das einen langen Atem haben muss. Also werden wir vollehalle jetzt weiter ausbauen, damit auf Tour gehen, und auf verschiedenen Wegen die einmal angestoßene Debatte fortführen. Mein neuer Zeithorizont ist daher jetzt die neue Legislaturperiode. Ich denke, dass wir in den kommenden vier Jahren Teil der politischen Ideenlandschaft in Deutschland werden müssen, um die notwendige Erneuerung unserer Demokratie und einer progressiven Politik mit gestalten helfen zu können. Und damit stimme ich voll und ganz diesem Zitat aus einem sehr hilfreichen aktuellen Text in ZEIT Online zu:

Wer andere Alternativen als rechte will, der muss sie sich zunächst einmal wieder vorstellen können oder eher: Er muss wieder anfangen, bestehende Alternativen überhaupt wahrzunehmen.

Und damit sind wir bei der Bundestagswahl. Als in den letzten Wochen klar wurde, dass es mit einer Kanzlerschaft von Martin Schulz und der damit verbundenen Hoffnung auf einen anderen Regierungsstil in Deutschland nichts werden würde, habe ich versucht, meine Erwartungen an das Ergebnis der Bundestagswahl neu zu formulieren. Daraus wurden zwei Punkte. Zum einen war mir extrem wichtig, dass der Umweltschutz in einer neuen Regierung ernst genommen werden würde. Zum anderen habe ich inständig gehofft, dass es nicht zur Fortsetzung der großen Koalition kommen würde, weil das desaströse Folgen für unser Land hätte. Meine Zweitstimme habe ich daher den Grünen gegeben. Und bin froh über deren gutes Abschneiden. Meine Erststimme ging an die SPD-Direktkandidatin in meinem Wahlkreis, die die Wahl für sich entscheiden konnte. Und auch wenn 20% für die SPD eigentlich letztlich unfassbar sind, habe ich damit in Bezug auf diese beiden Parteien in gewisser Weise das Ergebnis bekommen, das ich mir gewünscht habe: die SPD ist jetzt gezwungen, sich neu zu erfinden – und ich werde versuchen, selbst auch ein wenig dazu beizutragen. Und die Grünen werden hoffentlich – aller Skepsis zum Trotz – in einer neuen Bundesregierung mitwirken können.

Womit nun noch ein Kommentar zur AfD übrig bleibt. Er fällt kurz aus: es ist eine tiefe Schande für unser Land und eine große Verpflichtung für uns anderen, dass eine rechtsextreme Partei als drittstärkste Fraktion zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg in den deutschen Bundestag einzieht. Wir werden nun vier Jahre lang alle hart daran arbeiten müssen, dass aus uns 87% wieder 99,8% werden.

Hier auf dem Blog hoffe ich jetzt wieder – zumindest eine Weile lang – zum regelmäßigen Schreiben zurückkehren und mich wieder mit klugen Büchern und Texten zu den großen Themen unserer Zeit beschäftigen zu können. Und ich freue mich auf weitere anregende Diskussionen hier – so, wie wir sie hier gemeinsam auch bisher schon erleben konnten.

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