Zur Transformation unserer Welt.

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Wenn in den abgelaufenen zwei Jahren eine Sache klar geworden ist, dann wohl die, dass wir unsere Welt stärker verändern müssen, als vielen von uns lange klar war. (Und mit „uns“ meine ich vor allem: mich selbst.) Nur dann kann es eine Welt bleiben, in der wir leben wollen und können. „Wir“, das sind diejenigen, die an eine liberal-progressive Welt glauben, in der also der Fortschritt die Menschen — und zwar alle Menschen — besser stellt. Außerdem auch: diejenigen von uns, die nicht einfach hinnehmen wollen, dass der Klimawandel hier absehbar katastrophale Verhältnisse produziert.

Damit das alles gelingt, brauchen wir umfassende Veränderung, auf sehr vielen Gebieten. Und so müssen wir uns in Deutschland mit einer Sache anfreunden, die uns so gar nicht liegt: große Veränderungen in der Politik anstelle kleiner Schritte. Was ein zentraler Grund dafür ist, dass ich den Koalitionsvertrag so vehement abgelehnt habe. Denn er ist aus meiner Sicht in allzu vielen Belangen das absolute Gegenteil von großer, mutiger Veränderung — ganz genauso wie die Idee einer weiteren großen Koalition, aus der er entstanden ist.

Europa
Sören Brandes schrieb schon im Herbst letzten Jahres in „Unsere Zeit“ davon, dass der behäbige Glaube, in unserer Demokratie und unserem Land sei ja alles mehr oder minder in Ordnung und wir müssten die irrigen AfD-Wähler einfach nur eben daran erinnern, schlicht nicht mehr ausreichen wird — stattdessen sieht er den dringenden Bedarf nach einem klaren Bekenntnis zu Europa, das deutlich über das hinausgeht, was wir bisher immer zu wollen geglaubt haben:

Wir müssen den Liberalismus nicht aufgeben, wenn wir ihn weiterentwickeln: Bisher war der Nationalstaat eines der fundamentalen Bestandteile des liberalen Modells. Aber die liberale Idee der Menschenrechte wies von Anfang an über ihn hinaus. Im Zeitalter der globalen Vernetzung und der ständigen Grenzüberschreitung von Waren, Menschen und Kapital ist es nun dringender denn je geworden, dass wir die Nationsgebundenheit von Staatlichkeit, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit überwinden.

In einem ganz aktuellen Text von Stefan Braun geht es auch in der Süddeutschen in eine ähnliche Richtung. Er sieht Versäumnisse an vielen Stellen in der deutschen Politik, angefangen bei einem heuchlerischen Umgang mit Trump, vor allem aber bei einem viel zu zaghaften und auch verlogenen Umgang mit der EU. Und so fordert auch er viel klarere Bekenntnisse zu einer beherzteren Entwicklung eines sozialen Europas ein:

Es gibt keine einfachen und wahrscheinlich auch keine schnellen Lösungen. Aber es muss das Signal geben, dass Deutschland als größtes Land Solidarität großschreibt. Das wäre im Übrigen ein Signal, das man in Brüssel versenden und an die eigene Bevölkerung, auch die eigenen Anhänger, richten müsste. Von Deutschland als Zahlmeister redet die CDU lauter und die SPD etwas leiser. Dieses Gerede muss ersetzt werden durch das Bekenntnis, dass Deutschland mit seinen riesigen Exportüberschüssen Hauptprofiteur der Union ist.

Wirtschaftspolitik
Dazu, dass sich vor allem unser grundlegendes Verständnis von Wirtschaftspolitik ändern muss, passt auch ein Thema, das mich derzeit ganz zentral beschäftigt — der blinde Fokus auf Wirtschaftswachstum, als Antwort auf alle unsere sozialen Probleme. Am 18. März hat sich zum fünfzigsten Mal eine Rede von Robert Kennedy gejährt, in der er bereits 1968 auf eindrückliche Weise erklärt, dass es unseren Gesellschaften nicht gut tut, wenn sie sich in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung immer nur auf das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (auf Englisch: GDP, Gross Domestic Product) fokussieren.

Genau das ist das Thema unseres Dokumentarfilmprojekts — genauer: unser Film dreht sich um die Menschen, die sich heute bereits aktiv in der Politik für einen entsprechenden Politikwechsel einsetzen. Aus Anlass des Jubiläums der Kennedy-Rede hat Kate Pickett bei Open Democracy einen schönen Text dazu geschrieben, warum wir jetzt in unserer globalen Wirtschaftspolitik umdenken müssen:

Um weitere fünfzig Jahre einer Wirtschaft zu verhindern, die darauf eingerichtet ist, die falschen Ziele zu verfolgen, müssen wir eine neue wirtschaftliche Vision kultivieren. Wir brauchen Ziele, die zur täglichen Lebenserfahrung der Menschen passen, und nicht das Wachstum abstrakter Zahlen. Das ist die Vision einer „Wellbeing Economy“: eine Wirtschaft, die Wohlfahrt für Menschen und Erde propagiert. Eine Wirtschaft, die die Bedürfnisse aller deckt, innerhalb der Grenzen, die uns unser Planet setzt. Sie ist fair, suffizient und ökologisch nachhaltig.

Um klarzumachen, dass es sich dabei nicht um eine Träumerei von Idealisten dreht, sondern um eine Art zu wirtschaften, die es in Teilen der Welt bereits heute gibt, verweist sie auf Costa Rica — den echten Champion der Wellbeing Economies:

Nehmen wir Costa Rica. Die meiste Zeit läuft das Land bereits komplett auf erneuerbarer Energie. 2017 lag ihre Energieproduktion bereits über 300 Tage lang bei 100% erneuerbaren Energien. Und während der Rest der Welt verzweifelt versucht, die Entwaldung zu stoppen, wird in Costa Rica aktiv aufgeforstet, wodurch dort die Bewaldung zwischen 1983 und 2016 verdoppelt wurde. Verbunden mit niedriger Armut und Ungleichheit im Vergleich mit anderen Ländern aus der Region, leistet Costa Rica Erstaunliches im „Social Progress Index“. Kein anderes Land ist besser darin, individuelle Wohlfahrt, Lebenserwartung, Gleichberechtigung mit einem niedrigen ökologischen Fußabdruck zu verbinden. Das ist echte Vorbildfunktion.

Sie schließt damit, dass wir uns kein „Weiter so“ mehr leisten können: „People and planet won’t wait another 50 years.“ Andernfalls werden wir immer extremere Parteien, immer demagogischere Politiker, immer zornigere Wähler und immer heftigere Umweltkatastrophen erleben, wenn wir nicht umsteuern. Aktuell kommen uns ja beispielsweise neben den Insekten auch die Vögel abhanden.

Wegen all dieser Entwicklungen machen wir unseren Film.

Besonders dankbar bin ich daher auch, dass an diesem Osterwochenende nicht der ultrareligiös-konservative Alvarado Muñoz die Präsidentschaftswahl in Costa Rica gewonnen hat (es sah eine Weile lang danach aus), sondern Carlos Alvarado Quesada — der für eine Fortführung der bisherigen Politik in Costa Rica steht.

Übrigens wird an einem Land wie Costa Rica so schmerzlich deutlich, wie weit abgeschlagen wir hierzulande mit unserer angeblich so vorbildlichen Klimapolitik sind. Während Costa Rica bei 100% regenerativen Energien ist und den Regenwald wieder aufforstet, können wir uns nicht von der Kohle lossagen und eiern mit der Umgestaltung der Autoindustrie durch die Gegend, dass einem Angst und Bange wird. Von unserer Landwirtschaftspolitik mal ganz zu schweigen. Natürlich — es ist ein hartes Stück Arbeit, eine derartige Industrie und ein so großes Land radikal zu verändern. Aber wir sind auch ein reiches Land mit großer Macht und großem Einfluss, und nicht ein kleiner Staat in Zentralamerika mit 5 Millionen Einwohnern.

Daten
Der Cambridge-Analytica-Facebook-Story konnte man in den vergangenen Monaten ja kaum entgehen. Allerdings hat sie mich deutlich weniger geschockt als die Berichterstattung nahelegen würde. Denn letztlich kam wenig dabei heraus, was nicht lange bekannt war. Trump hat die Plattform genau für das benutzt, wofür sie gedacht war — und was heute unter Trump als demagogisch-dämonisch verschrieen wird, wurde unter Obama als visionär-zukunftsweisend gefeiert. Nebenbei ist die Erkenntnis, dass die Cambridge-Analytica-Leute abseits von Facebook die dreckigsten Methoden zur Wahlbeeinflussung nutzen, ja die eigentliche Antwort auf die Frage, wie mächtig Facebook eigentlich im Wahlkampf ist: nicht mächtig genug, sonst bräuchten sie nicht die anderen Methoden.

Was mich eigentlich mehr interessiert, war, dass Facebook manchen Forschern offenbar tiefen Zugriff auf Daten gegeben hat. Aus meiner Sicht eigentlich eine gute Sache. Ich habe selbst als Sozialwissenschaftler promoviert (die Wirtschaftswissenschaften gehören zu den Sozialwissenschaften — auch wenn manche ihrer Vertreter das nicht gern hören), und in diesem Feld konnte ich immer wieder erleben, wie dringend die Forscher auf die Art Datenmengen hoffen, die Facebook bereitstellen kann. Der Skandal wird also kurzfristig vor allem eines bewirken: dass den Sozialwissenschaften wertvolle Daten nun nicht mehr zur Verfügung stehen werden.

Was ich aber auch deutlich sagen kann: Ich bin nie ein Fan von Facebook gewesen und habe die Plattform immer nur sehr spärlich verwendet — mein Gefühl war immer, dass Ethik und Moral dort keinen Platz haben. (Zusätzlich habe ich jetzt auch noch den Firefox-Facebook-Container eingebaut. Und ich sollte ein paar weitere Datenthemen vielleich doch nochmal genauer ansehen …). Und so hoffe ich, dass Facebook seine Dominanz irgendwann (irgendwie?) verlieren wird — auch wenn die Netzwerkeffekte, die die Leute auf der Plattform halten, mehr als mächtig sind.

Man kann dabei natürlich auf Regulierung durch Behörden in den USA oder in der EU hoffen. Ich erwarte mir in diesem Zusammenhang aber eher etwas von einer Renaissance des offenen Webs — mittels Blockchain, Tokens und darauf laufender Anwendungen. Leider bin ich bei dem Thema hoffnungslos hinterher, versuche aber jetzt wenigstens ein paar Texte dazu zu lesen. (Und vielleicht demnächst auch ein paar Coins zu kaufen …). Dieser Text von Chris Dixon erläutert auf sehr anschaulich Weise, warum das Open Web Ende der 2000er Jahre gegen Facebook verloren hat, und wie die Erfindung Blockchain die Sache neu aufrollen könnte:

Blockchains hätten erlaubt, einen geteilten Social Graph in einem dezentralisierten Netzwerk zu speichern. Es wäre […] einfach gewesen, ein offenes soziales Netzwerk zu bauen, mit den Werkzeugen, die heute zur Verfügung stehen.

Und auch bei der New York Times kann man ebenfalls in einem langen Text erfahren, warum es bei der Blockchain nicht um die Gier der Bitcoin-Investoren gehen darf, sondern um eine größere Idee — nämlich darum, dass das Internet dank Blockchain-Technologie wieder zu seinen Wurzeln zurückkehren kann:

Die Online-Welt würde nicht von einer Handvoll Informationszeitalter-Titanen dominiert; unsere Nachrichtenplattformen wären weniger anfällig für Manipulation und Betrug; Identitätsklau gäb es viel weniger häufig; Werbedollars würden auf eine breitere Palette von Medienunternehmen verteilt.

Manches davon scheint noch in weiter Ferne, vieles wirkt aber ebenso plausibel. Wäre ich Mark Zuckerberg, dann hätte ich vermutlich mehr Angst vor Ethereum als vor Regulierung durch die Politik.

Science-Fiction
Was wäre das Nachdenken über eine neue andere Zukunft ohne Science-Fiction? In dem Bereich habe ich mir in den letzten Wochen mit großem Spaß die Netflix-Serie „Altered Carbon“ angesehen. Die Namenswahl ist mit Abstand die schlechteste kreative Entscheidung in der gesamten Serie — alles andere ist, aus meiner Sicht, wirklich sehr gut gemacht. Und mit einem Riesenaufwand! (Auch wenn ich ein paar Details in der Geschichte gefunden habe, die mich nicht überzeugt haben — aber das wird von der allgemein großartigen visuellen Ausstattung und konzeptionellen Idee der Show wieder mehr als wettgemacht.) In einer Welt, die gute 250 Jahre in der Zukunft liegt, ist es dank außerirdischer Technik möglich, die Essenz und das Sein und den Geist und das Hirn eines Menschen in einem münzgroßen Chip zu speichern, der im Nacken eines jeden Menschen sitzt — der sogenannte „Stack“. Aber nur die Hyperreichen können es sich leisten, ihren Stack immer wieder als Backup zu speichern und in neue Körper zu setzen, oder in frische Klone ihres bisherigen Körpers. Da sie damit so alt werden können wie Methusalem, werden sie „Meths“ genannt. Welche menschlichen Konsequenzen sich daraus ergeben, entwickelt die Serie auf extrem unterhaltsame Weise — weil vor allem visuell an keiner Stelle gespart wird. Da trifft „Blade Runner“ auf „The Fifth Element“ auf „Oblivion“, und zwar nicht zwei Stunden lang, sondern knapp 10 Stunden lang. Wirklich krass.

Für mich war es eine schöne spielerische Abhandlung dazu, was mit den Superreichen passiert, wenn wir die Ungleichheit in unseren Gesellschaften nicht in den Griff bekommen — wir schaffen eine Kaste, die sich in jeder Hinsicht so weit vom Rest der Menschheit entfernt, dass sie allen Bezug zu menschlicher Moralität verliert.

3 Kommentare

  1. Ja ja der klimawandellll. Eine co2 Steuer braucht die EU, das gibt billjonen für die EU. Vorher schön fleissig mit chemtrails alles verpesten und versauen, die Menschen mit Barium ,aluminium,polimaerfasern Nanopartikel, Art fremde gene, Pilzsporen und so weiter krank machen. Damit diese alle glauben der klimawandellll ,wir zahlen was ihr wollt. Pro Person in der EU 10 Euro im Monat koennte man ja nehmen ?das gibt schöne billjoenchen. Die EU braucht Geld viel Geld weltweit ca. 280 billjonen schulden. Leute schaut euch den mist an. YouTube chemtrails in Aktion und haarp in Aktion

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