Weiter in Graebers Buch „Debt — the First 5,000 Years“ lesend, gelange ich jetzt an die Stelle, an der er Ehre („honor“) diskutiert. Sie wird im Kapitel 7 in Zusammenhang mit der Rolle der Sklaverei besprochen, und Graeber sagt einige ebenso erstaunliche wie nachvollziehbare Dinge. Ganz im Zentrum steht die Verbindung zwischen Gewalt und Ehre:
Männer, die gewalttätig leben, ob Soldaten oder Gängster, sind fast ausnahmslos besessen von ihrer Ehre, und Angriffe auf ihre Ehre werden als die offensichtlichsten Rechtfertigungen für gewalttätige Akte betrachtet.
Und in der Tat: den Ausruf „Du hast mich in meiner Ehre verletzt!“ kann man sich wohl von den unterschiedlichsten Charaktären vorstellen — in Literatur, im Film oder in der eigenen Nachbarschaft (je nachdem, wo man wohnt) — aber immer eint sie alle, dass er nur ausgesprochen wird von Menschen, die im selben Moment dann auch zum Messer, zur Pistole, zum Schlagring greifen.
Einige Zeilen weiter beschreibt Graeber die besondere Komplexität des Ehrverlusts im Zusammenhang mit Sklaverei, es heißt dort unter anderem:
(…) Ehre ist definitionsgemäß etwas, das in den Augen anderer existiert. Und um sie zurückgewinnen zu können, muss der Sklave die Regeln und Standards derer annehmen, die ihn umgeben.
Und wieder einige Zeilen weiter heißt es:
Ehrenmänner neigen dazu, ihre totale Gelassenheit und Selbstsicherheit, die aus der Gewohnheit stammt, Befehle zu geben, mit einer notorischen Anspannung zu verbinden, einer gesteigerten Empfindlichkeit gegenüber Kränkungen und Beleidigungen, dem Gefühl, dass ein Mann (und es ist fast immer ein Mann) irgendwie herabgesetzt, gedemütigt würde, falls er erlaubte, dass eine „Ehrschuld“ unbezahlt bleibt.
Ich muss bei all dem die ganze Zeit an Donald Trump denken. Der in jeder Kritik Verletzung wittert, und sich zugleich so selbstbewusst wie der Paviankönig im Zoo aufführt. Und der, auch das ist passend, letztlich nichts anderes sehnlichst wünscht, als von den Institutionen, die er ständig schlecht macht, endlich anerkannt zu werden.
Es wirkt ein wenig, als sei der Leader einer Motorradstraßengang zum Präsidenten der USA gewählt worden.
Und so stellt sich mir die Frage: wird er ebenso leichtfertig wie andere Männer diesen Schlages mit Gewalt umgehen? Bisher hatte er keinen Schlagring, und keine abgesägte Schrotflinte. Als POTUS steht er nun plötzlich an der Spitze der gewalttätigsten Kriegs-Maschinerie, die die Welt je gesehen hat.
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Hier sind Teil 1 und Teil 2 meiner bisherigen Zusammenfassung von Graebers Buch. Das ist ein dicker Wälzer — ich werde noch einige weitere Teile schreiben müssen …
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