Vergangenen Samstag musste ich kurz nach 5 aus dem Bett, um es bis 9:30h ins Hamburger Betahaus zu schaffen. Dort fand die dritte Runde des Hackdays der Initiative Save Democracy statt, und ich wollte dabei sein. Hat alles sehr pünktlich geklappt, in einer Nebenstraße gab es dankenswerter Weise sogar eine Strom-Ladesäule zum Tanken meines Autos. Hier meine Zusammenfassung des Tages.
Eröffnungsplenum
Rund 150 Leute waren zur Veranstaltung ins Betahaus gekommen. Der Tag begann damit, dass wir alle herdenartig von Moderator Moritz durch den Raum getrieben wurden, um uns anhand verschiedener Konstellationen („die Teilnehmer, die schon mehrfach dabei waren, bitte in diese Ecke“, „die Teilnehmer, die coden können, bitte in jene Ecke“) irgendwie gruppendynamisch besser „kennenzulernen“. Nett gemeint, aber irgendwie nicht wirklich hilfreich. Direkt danach kam die Themenfindung — wer eine Session anbieten wollte, schrieb sie auf einen Zettel und erklärte sie mit wenigen Worten im Forum. Dann wurde sie an den Wand-Zeitplan geheftet, auf diese Weise entstand der Session-Plan, an dem man sich dann für die eigene Teilnahme orientieren konnte. Also alles sehr Barcamp-artig.
DEMO
Meine erste Session betraf das Projekt Demo. Die Initiatorin Mareike hatte mich nach meinem Session-Vorschlag direkt gefragt, ob ich bei ihnen mitmachen kann, weil sie fand, dass mein Thema („Wie man mit wildfremden Menschen auf der Straße ins politische Gespräch kommt, selbst wenn sie in einer anderen Welt leben als man selbst“) zu ihrer Arbeit auch gut passen könnte. Sie erklärte in der Gruppe auf Nachfragen kurz nochmal, warum und wie Demo eigentlich entstanden ist und teilte uns dann in Unter-Arbeitsgruppen auf, die verschiedene Themen beackern sollten. In meiner ging es darum, lokale Aktionen für Hamburg zu planen. Die Idee, die dort entstand, drehte sich dann um LehrerInnen und um ein Projekt, das Schüler mehr für die Demokratie begeistern soll.
Meine eigene Session
In Zusammenarbeit mit Judith Döker habe ich in den vergangenen Wochen an einer Idee gearbeitet, die spontan beim Versuch entstand, in einem uns fremden Stadtteil von Berlin mit uns völlig fremden Menschen auf der Straße politische Gespräche zu beginnen. Ich habe den Gesprächsansatz (den wir dafür aus dem Stehgreif entwickelt hatten und der sehr gut funktioniert hat) in der Session vorgestellt, danach haben wir Vor- und Nachteile und Weiterentwicklungsmöglichkeiten diskutiert. Das Gespräch mit ca. 10 Interessierten war sehr hilfreich, sehr anregend, und hat einige neue Ideen erzeugt, die uns auf jeden Fall weiter bringen. (Die Details des Ansatzes schildere ich hier jetzt noch nicht, weil wir eine entsprechende Veröffentlichung dazu ohnehin aktuell noch vorbereiten.) Besonders gut gefiel mir auch, dass eine Gruppe von Leuten direkt dazu ihre Emailadressen ausgetauscht hat, um den Ansatz auch in Hamburg zu testen.
Session zu SaveDemocracy
Nach dem Mittagessen habe ich an einer sehr kleinen Runde mitgewirkt, die besprach, wie das Projekt „SaveDemocracy“ über diese Camps hinaus verstetigt und noch nützlicher für die demokratische Arbeit gemacht werden kann. Das war sehr interessant, unter anderem auch, weil ich auf diesem Weg bspw. erfahren habe, dass Schmalbart schon längst nicht mehr (allein) eine „Antwort“ auf Breitbart ist, sondern inzwischen eher zu einem Dach für eine demokratische Bewegung bzw. ein Netzwerk geworden ist. (Was der Name nun wahrlich nicht vermittelt.)

Kammerrebellen: „Die Kammer sind Wir“
Das war eine wirklich interessante Session, in der einer der sogenannten Hamburger Kammerrebellen, Detlev Siebold, den Prozess und die Erfolgsfaktoren dafür geschildert hat, wie die Gruppe die verschnarchte Hamburger Handelskammer gekapert hat, um sie wieder demokratischer und schlanker zu machen. Noch ganz beseelt von dem grade errungenen Wahlerfolg beschrieb Detlev mit viel Begeisterung, was es für den Erfolg gebraucht hat. Für alle im Raum war das Projekt auf jeden Fall eine Ermutigung dazu, sich ruhig Institutionen vorzunehmen, die unveränderbar und verkrustet erscheinen, um sie zu erobern und zu modernisieren — und auf diese Weise echten demokratischen Prozessen wieder Aufwind zu geben, und neue Lust auf Partizipation zu machen. In Bezug auf manche Parteien wäre sowas ja vielleicht auch keine schlechte Idee …
DemokratieHelden
Nach dem Abschlussplenum (welches mich ein wenig enttäuscht hat, weil von den Leuten, die am Morgen zum Auftakt da waren, vielleicht noch ein Viertel übrig war) hatte ich noch die Gelegenheit, mit Melanie Stein von DemokratieHelden zu sprechen. Auch dieses Projekt nimmt sich vor, politische Gespräche zwischen Menschen anzuregen, die sonst nur schwer miteinander ins Gespräch kommen. Sie video-interviewt dafür unter anderem Menschen, die sich für die Demokratie einsetzen und mehr Dialog in der Gesellschaft anregen wollen. Ich habe mich sehr gefreut, dass sie mich ebenfalls interviewen wollte — auch wenn ich ja eigentlich noch gar nicht so viel zu sagen habe.
Neben diesen Sessions habe ich eine Menge Gespräche geführt, außerdem gab es eine Reihe Sessions, die ich ebenfalls gern miterlebt hätte, was aber wegen Terminkonflikten leider nicht ging. Zwei Leute von bewegung.jetzt waren beispielsweise da (mit denen ich gern weiter über meine Zweifel zu ihrem Projekt gesprochen hätte), es gab Sessions vom CCC zur Sicherheit der eigenen digitalen Tools — insbesondere dann, wenn man sich tiefer in kontroverse politische Gewässer begibt und damit Hackern aussetzt, oder auch Sessions mit Christoph Giesa, der ein Buch zur neuen Rechten in Deutschland geschrieben hat.
Fazit
Wenn man eines oder mehrere der drei folgenden Resultate sucht, ist man auf so einem Camp bestens aufgehoben: (1) Input zu einem bereits bestehenden eigenen politischen Projekt. Die vielen kompetenten und klugen Köpfe, die bei so einer Veranstaltung zusammenkommen, können zu jeder Idee weitere nützliche Gedanken beisteuern — das funktioniert gut. (2) Inspiration für die eigene Arbeit. Wer sich orientieren will, Ideen sucht, wissen will, was andere machen, findet hier eine Menge Inspiration. (3) Menschen, die einen weiterbringen oder inspirieren können. Das ergibt sich ja schon aus den beiden vorherigen Punkten — hier kommen viele Leute zusammen, die kennenzulernen schlicht Spaß macht.
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